Rezension: Karpatenhund – Der Name dieser Band ist (VÖ 28.08.2009)


13 Sep 2009 [12:14h]     Bookmark and Share


Rezension: Karpatenhund – Der Name dieser Band ist (VÖ 28.08.2009)

Rezension: Karpatenhund – Der Name dieser Band ist (VÖ 28.08.2009)



Karpatenhund – das sind keine Neulinge mehr in der deutschen Poplandschaft. Mit ihren ersten Scheiben, von denen wohl besonders „Karpatenhund #3“ mit seinen 12 Tracks für Aufmerksamkeit gesorgt haben dürfte, haben sie bereits gezeigt, was sie können.

Artist: KARPATENHUND

Titel: Der Name dieser Band ist

Homepage: http://www.karpatenhund.com/

Sie können Pop, sie können tanzbar, die können zum Mitsingen und sie können ironisch-geschickt getextet. Sie können sensibel einfühlsam und jugendlich wild. Das waren Karpatenhund, wie ich sie bisher kannte.

Nun liegt hier der neue Auswuchs ihrer Kreativität vor mir: „Der Name dieser Band ist (Karpatenhund)“. Und die niedlich-zarte Stimme von Sängerin Cpt. Claire (Claire Oelkers) lässt mich sofort erkennen, dass es tatsächlich Karpatenhund sind, die ich da höre – alles andere scheint auf einmal anders zu sein als bisher. Ich bin irritiert.

Wo kommen die elektronischen Klänge her, wo das Saxophon, wo die Texte mit den Fragen des Lebens, die all die süß-jugendlichen Liebeslieder ablösen? Irgendwas ist da passiert im Hause Karpatenhund, da sind große Entwicklungen vor sich gegangen, die ich so niemals erwartet hätte.

Gewöhnt an seichten Pop füge ich mich also meinem Schicksal, sperre die Ohren auf und lasse mich drauf ein. Zunächst dieses wirklich lange Intro mit dem unfassbar kreativen Namen „Anfang (Black Box Recorder)“. Das ist über dreieinhalb Minuten in die Länge gezogenes, tristes Klavierspiel (ergänzt vom Rest der Band), das die Erwartungen anschürt, irgendetwas möge nun bitte passieren. Immerhin, nach 1:50 min erklingt Claires Stimme, aber auch diese kann den Eindruck, alles sei langsam, übermäßig in die Länge gezogen und viel zu nah an meinem „Skip-Finger“, nicht vertreiben. Ich deute diesen ersten Track also als Intro – trotz seiner Länge – und warte ab, was nun passiert. Aha! Das klingt besser. Der zweite Track, der auch die erste Vorab-EP des Albums war, „Wald“ ist endlich wieder Karpatenhund. Poppig, treibend und lyrisch. Und dennoch anders als bisher. Mit diesem Saxophon und diesem ernst-düsteren Text klingen Karpatenhund reifer, erwachsener, eindeutiger im Leben angekommen. Musikalisch klingt das ausgefeilter als bisher. Claires Stimme bleibt im Bruch hierzu weiterhin niedlich und singt mit fröhlich-naiver Kindlichkeit „Ich glaub’, ich lös mich langsam auf.“

Dieser Kontrast beißt sich, trotzdem mag ich diese Stimme sehr, die zunächst gewöhnungsbedürftig sein mag. Sie ist – und das ist mir wichtig und meiner Meinung nach ihr großer Vorteil – zu jederzeit einzigartig und wiedererkennbar. Hat man sich einmal an diese liebe Leichtigkeit gewöhnt, ergreift sie einen völlig – mir jedenfalls ging das so – und damit war ich nie allein.

Das zweite Stück „Notfalls werde ich für immer warten“ klingt ehe wie das Gewohnte, aber auch hier ist deutlich zu spüren, dass die Musik feiner abgestimmt ist. Immer noch elektronisch-poppig und luftig-leicht, aber facettenreicher. Mit „Boden“ wird es dann etwas düsterer, textlich. Das Saxophon unterstreicht dieses Dunkle, Bedrohliche geschickt. „Das ist der Boden, der sich bewegt, nicht ich. Das ist mein Kop, der redet, nicht ich.“ Das klingt nach Kämpfen mit dem eigenen Ich, scheint die Suche nach dem Ich und der Selbstbestimmung zu sein. Das beschreibt das Gefühl, das jeder kennt, der einen neuen Lebensabschnitt antritt und sich damit auf fremdem Terrain bewegt. Hierin spiegelt sich die Entwicklung, die ich in der Musik der Band Karpatenhund sehe, exakt wieder. Ob dieser Zusammenhang in dieser Form geplant war, bleibt aber fraglich – so ist das ja immer mit der Interpretation…

„Plastic Soul“ gefällt mir ausgesprochen gut. Lyrisch wieder gekonnt sensibel getextet: „Es ist nicht einfach zu versteh’n, dass Erde und Sonne sich auch ohne mich noch dreh’n.“ Das sind die Zweifel am eigenen Leben – ebenfalls ein klassisches Phänomen sich entwickelnder Biografien. Das ist die umformulierte Frage nach dem Sinn des Daseins und nach der eigenen Bedeutsamkeit, die ins Deprimierte zu gleiten droht, wenn bestätig wird „aber ich fürchte, genau das haben sie vor.“ Auch hier wieder ein Bruch zu Claires Stimme, der aber die Schwere des Liedes in einem gesunden Maß abfängt. Was nicht zu ändern ist, muss hingenommen werden – und das Leben geht weiter wie bisher.

Rohrschach befasst sich ebenfalls mit den Sorgen und Depressionen des Alltags, was direkt in den ersten Zeilen deutlich wird. „Das Glas ist nicht halb leer und nicht halb voll. Es ist völlig leer – ich wusste nie, was die Frage soll.“ Hier ist auch die Musik getragener, der Gesang hallt als käme er aus einer unbestimmten Ferne. Mir ist dieses Lied für das Genre deutscher Popmusik zu schwerfällig, zu getragen, es ergibt für mich kein harmonisches Bild – aber das soll es denn wohl auch nicht.

Dieser Wechsel zwischen leichtem Pop und ernster Schwere führt sich fort. Er ist insgesamt ausgewogen, sehr geschickt arrangiert und musikalisch durchweg gelungen. Was mich beim ersten Hören so irritiert hat, ergibt für mich zwar ein neues, aber ein schlüssiges Gesamtbild. Der Stilwechsel schadet dem Karpatenhund nicht, im Gegenteil: Er wirkt nun erwachsen, im Leben stehend und reif. Dafür büßt er Teile seiner Leichtigkeit und Lebensfreude ein, ist aber ein Spiegelbild seiner Generation und bietet Gelegenheit zur Identifikation – besonders für junge Erwachsene, deren Leben sich wandelt, entwickelt und ungewiss scheint. Diese Inhalte sind professionell und feinfühlig umgesetzt.

Der Name dieser Band ist Karpenhund. Der Hund ist nun erwachsen, aber er ist und bleibt ein Karpatenhund!







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