Undercover-Report des WDR: AirBerlin zieht Kunden gezielt über den Tisch


12 Jan 2015 [09:28h]     Bookmark and Share


Undercover-Report des WDR: AirBerlin zieht Kunden gezielt über den Tisch

Undercover-Report des WDR: AirBerlin zieht Kunden gezielt über den Tisch



Schlechter Service bei Air Berlin hat System – Gezielte Desinformation für mehr Profit

Köln – Ein WDR-Reporter hat sich in eine vierwöchige Call-Center-Schulung für Air Berlin-Mitarbeiter eingeschleust und hautnah erlebt, wie sich die Airline durch irreführende Erklärungen oder schlichtes Nichtinformieren vor Zahlungen an Kunden drückt. So ließ der Air Berlin-Schulungsleiter die angehenden Call-Center-Mitarbeiter über Entschädigungen für Verspätungen gezielt im Dunkeln: „Wieviel es gibt, das wollen wir euch gar nicht sagen, denn das sollt ihr dem Kunden auch gar nicht sagen,“ begründete er seine Nichtinformation.

Auch bei Ticket-Stornierungen war oberstes Schulungsziel, die Kunden über ihnen zustehende Erstattungen wie Steuern und Gebühren im Unklaren zu lassen: „Das ist halt auch wieder so eine Form von Beschiss. Das musst du am Anfang klug formulieren“, wurde dem als angehenden Mitarbeiter getarnten WDR-Reporter unverblümt klar gemacht.

Erstmals zeigt das WDR Fernsehen in seinem neuen investigativen Format „Aufgedeckt“ diese und noch weitere Kniffe von Deutschlands zweitgrößter Airline im Umgang mit Kunden, die dazu dienen den Gewinn der Airline zu maximieren: „Aufgedeckt – die geheimen Tricks von Air Berlin wird am Montag, dem 12. Januar 2015 um 21.00 Uhr bis 21.45 Uhr im WDR Fernsehen gezeigt.

Ehemalige und auch heute noch für Air Berlin tätige Mitarbeiter bestätigen die Undercover-Recherchen: „Wenn der Kunde nicht selber auf die Idee kommt, dass er Anrecht auf irgendwas hat, dann hat er Pech gehabt“, erklärt eine Servicekraft, die nach einem halben Jahr Tätigkeit am Flughafen-Schalter ihren Job enttäuscht aufgab.

Doch Air Berlin steht nicht alleine mit unseriösen Machenschaften in der Kritik. In vorherigen Reportagen des Fernsehsenders wurden auch kundenfeindliche Vorgehensweisen andere Airlines aufgedeckt. Weiterer Spitzenreiter dabei: Die zum Thomas Cook-Konzern gehörende Fluglinie Condor.

Für die Fluggesellschaften geht es um erhebliche Summen. Nach Schätzungen des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes müsste allein Air Berlin knapp 40 Millionen Euro im Jahr an Entschädigungen für Verspätungen zahlen. Doch nach Berechnungen der Allianz für Fluggastrechte – ein Zusammenschluss von Portalen, die stellvertretend für Passagiere deren Forderungen gegenüber den Airlines geltend machen – fechten nur drei Prozent der Kunden ihre Ansprüche bis zum Ende durch. Darauf setzt anscheinend auch Air Berlin. Ein Mitarbeiter, der heute noch bei dem Unternehmen tätig ist, offenbarte dem WDR, der Kundenservice reagiere in der Regel erst dann, „wenn Post von einem Anwalt kommt.“

Noch immer zieht ein mieser Trick mancher Airlines, der in sich in der Branche seit Jahren eingeschlichen hat: Die Reporter im Test bei Air Berlin versuchten Geld für ein storniertes Ticket zurückzubekommen. Von bezahlten 55,09 Euro hätte Air Berlin bis auf einen Euro den kompletten Betrag erstatten müssen. Doch statt der zustehenden 54,09 Euro boten die Mitarbeiter bei vier Versuchen jedes Mal einen anderen Betrag an – und nie den richtigen. Das höchste Angebot lag bei 9,09 Euro, in einem Fall hätten die WDR-Reporter wegen einer Bearbeitungsgebühr sogar draufgezahlt.

Für das Geschäftsjahr 2014 droht Air Berlin ein Rekordverlust von 350 Millionen Euro. Aus Mitarbeiterkreisen heißt es, das Zurückhalten von Informationen über Kundenrechte sei Teil des Sparkurses. Auch nach Ansicht von Otmar Lell, Fluggastrecht-Experte des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes, erfolge das Hinhalten von Passagieren bei Air Berlin „besonders systematisch“. Eine Erfahrung, die viele Kunden bestätigen dürften.

Air Berlin war gegenüber dem WDR zu keinem Interview bereit, bestritt aber schriftlich die einzelnen Vorwürfe. Das Unternehmen bleibt bei Lippenbekenntnissen: Grundsätzlich hätten die Mitarbeiter „einen hohen Qualitätsanspruch“, außerdem stehe für das Unternehmen „die Kundenzufriedenheit an erster Stelle.“ Das allerdings steht im Widerspruch zu den Erfahrungen, die der Undercover-Reporter in den Schulungswochen machte. So erklärte ihm eine Air Berlin-Ausbilderin, dass das Unternehmen sich gezielt vor rechtmäßigen Forderungen drücke „in dem Vertrauen auf den 90%igen Anteil an Kunden, die nicht klagen.“

Foto: Carstino Delmonte







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