Taipeh: Spagat zwischen Tradition und Moderne


04 Dez 2009 [13:08h]     Bookmark and Share


Taipeh: Spagat zwischen Tradition und Moderne

Taipeh: Spagat zwischen Tradition und Moderne



Taipeh. Dichte Rauchschwaden quellen aus einem großen Bronzekessel. Dutzende von Räucherstäbchen, die Gläubige aufgestellt haben, machen die Luft zu einer Nebelwand.

Taipeh:

Spagat zwischen Tradition und Moderne

Taipeh. Dichte Rauchschwaden quellen aus einem großen Bronzekessel. Dutzende von Räucherstäbchen, die Gläubige aufgestellt haben, machen die Luft zu einer Nebelwand. Es duftet nach Zimt und Myhre. An Festtagen biegen sich die Tische unter den Opfergaben. Mit Unmengen an frischem Obst sollen die Gottheiten im Longshan Tempel im alten Stadtviertel Wanhua gnädig gestimmt werden. Laut sein ist hier fehl am Platze, mahnt Echo Hsu, die als kundige Reisebegleiterin das Ritual flüsternd kommentiert.

Nur eine Parallelstraße weiter ist es mit der Stille vorbei. Hier in der Huaxis Street wird lauthals angepriesen, gefeilscht und gehandelt. Est wimmelt von Schlangen, die sich in engen Käfigen ihrem Schicksal ergeben. Reptilien aller Art werden zum Verspeisen präsentiert. Die Snake Alley ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Hat sich ein Kunde für ein Tier entschieden, wird es vor seinen Augen getötet, gehäutet und landet als Steak oder Gulasch auf dem Teller. Wenige Meter weiter sind Schildkröten und Entenfüße im Angebot.

Die Märkte mit exotischen Waren stehen für Tradition. Taipeh schafft als Millionenstadt den Spagat zwischen Althergebrachtem und Moderne. Made in Taiwan ist auch High Tech. Beispiel: Taipei 101. Neun Euro kostet der Eintritt in die weltumspannende Geschäftswelt. Im Bankenviertel ragt der bis 2007 weltweit größte Wolkenkratzer 508 Meter in den Himmel. Taipei 101 gilt als das Wahreichen der Metropole, wobei die Nummer die Anzahl der Stockwerke dieses Büroriesen markiert. Der Turm gleicht einem hochgewachsenen Bambusstab, dem traditionellen Symbol für Glück und Reichtum im Tigerstaat. Ausgerichtet ist der Riese nach Gesetzen des chinesischen Fengshu. An den Ecken des gigantischen Bauwerks wachen stilisierte Drachen und die runden Elemente an den Fassaden erinnern an die Formen alter chinesischer Münzen. In nur 39 Sekunden werden Besucher auf die Aussichtsplattform in 382 Meter Höhe hochkatapultiert. Von dort schauen sie auf eine 66 Tonnen schwere Stahlkugel, die frei hängend, Schwingungen des Giganten ausgleichen soll. Ein abendliches Diner in luftiger Höhe des „10!“ mit entsprechendem Rundblick auf die Glitzerwelt dieser Tag und Nacht wuselnden Metropole gehört ebenso zum Sightseeing-Muß wie die Gedächtnishalle, die Taiwans Streben nach Demokratie verkörpert. Nach dem Tod des Diktators Chiang Kai-shek wurde das 70 Meter hohe Bauwerk aus weißem Marmor mit blauem Ziegeldach zur Touristenattraktion. Zum Ensemble, das sich innerhalb einer großen chinesischen Gartenanlage ausbreitet, gehören das im Palaststil erbaute Nationale Opernhaus und die Konzerthalle. Zwischen Teichen und exotischer Blumenpracht tummeln sich junge Männer mit Gel im Haar und Gucci an den Füßen, Familien mit Kindern und alte Leute, die sich in den frühen Morgenstunden im Tai-Chi und Qigong üben.

Für Krimskrams und Kurioses sind Taipehs Nachtmärkte  bekannt. Kulinarisches findet sich insbesondere auf dem Markt Shilin, dem größten des Landes. Taiwaner essen gut viel und gern. Bei der Auswahl der Speisen hilft die Vielseitigkeit der chinesischen Küche, die durch Einwanderer vom Festland unterstützt wird. Ob Peking-, Shanghai- oder kantonesischer Stil: Es gibt nichts, was nicht für Töpfe und Pfannen gut aufgehoben ist. Blanchierte Farnwedel als Gemüse serviert, wechselt ab mit gefüllten Teigtaschen, Reis, Nudeln und ingwergewürzten Meeresfrüchten. Selbst die gelben Beeren des Gingkobaums sind kein Tabu, obwohl sie, im Übermaß genossen, als giftig gelten.

Eine andere Spezialität halten leichtbekleidete Damen in Plexiglasbuden feil. Gleich ein Dutzend dieser Miniläden mit blinkender Neonreklame säumen einige Straßen in der Innenstadt. Die Ware der Schönen sind Betelnüsse. Die Früchte der gleichnamigen Palme, die mit einer scharfen roten Paste gewürzt werden, versprechen rauschähnliche Wirkung. Angeblich kaut jeder zehnte Taiwaner regelmäßig auf diesem Kulturgut .Mit seinem preisgekrönten Streifen „Betelnut Beauty“ setzte Regisseur Lin Cheng-sheng den anmutigen Betelnussgirls gar Anfang dieses Jahrhunderts ein filmisches Denkmal. Infos: www.taieantourismus.de

Günter von Saint-George

Fotos: Günter von  Saint-George

Info:

Radfahren ist ein nationales Hobby und auch Touristen sollen es auf der Insel probieren. Das pulsierende Taipeh kann man auf einem 150 Kilometer langen Radwege-Netz auf dem Velo erkunden. Bei der Orientierung hilft die „Taipei City Riverside Cycling Path Map“, die man auch im Internet herunterladen kann. Es gibt Mieträder von „Youbike“, die an elf Bahn-Stationen ausliehen werden. Die erste halbe Stunde ist gratis, jede weitere Viertelstunde kostet 20 Cent, eine Fünf-Tageskarte rund drei Euro. Besonders beliebt ist die „Dongfong Green Passage“ außerhalb von  Taipeh und die 33 Kilometer lange Radstrecke rund um das größte Binnengewässer der Insel, den Sonne-Mond-See. Auch viele Hotels vermieten Räder zum Stundenpreis von umgerechnet 1 Euro.

(www.eng.taiwan.net.tw/cycling und www.sunmoonlake.gov.tw)

 







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